Argumente zu Marktwirtschaft und Politik Nr. 175

Was kostet der Sozialstaat?

Sozialabgaben- und Sozialleistungsgedenktag als anschaulicher Indikator

Bernd Raffelhüschen, Sebastian Schultis, Sebastian Stramka

Berlin, 2024 Umfang:
28 Seiten
Dateigröße:
2 MB

Das Spannungsverhältnis zwischen sozialstaatlichen Leistungsausweitungen und steigenden Abgabenbela­stungen wird durch den demografischen Wandel zuneh­mend verschärft. Ein immer größerer Teil der Lasten wird auf jüngere Generationen abgewälzt, was die Generationenge­rechtigkeit – ein zentrales Fundament des Sozialstaates – untergräbt. Um die Kosten des Sozialstaats zu veranschau­lichen, werden zwei Gedenktage der sozialen Sicherung für das Jahr 2024 präsentiert:

  • Der Sozialabgabengedenktag, der im Jahr 2024 in Deutschland auf den 4. April fällt. Für die Finanzierung des Sozialstaats und die damit verbundene Umverteilung ar­beitet die statistische Durchschnittsperson in Deutschland also mehr als drei Monate, um sowohl die steuerfinanzierten Leistungen als auch die Beitragseinnahmen der Sozial­versicherungen zu erwirtschaften. Bei einer Sozialabga­benquote von rund 25,9 Prozent entspricht dies einem Viertel des durchschnittlichen Gesamtjahreseinkommens.

  • Der Sozialleistungsgedenktag wird ermittelt, indem die beitragsbezogenen Sozialversicherungsleistungen herausgerechnet und nur beitragsfremde Soziallei­stungen (wie z. B. mit Bundeszuschüssen finanzierte Leistungen der Sozialversicherungen) und steuerfinan­zierte Sozialleistungen der Gebietskörperschaften (z. B. Bürgergeld, Sozialhilfe) berücksichtigt werden. Dieser gibt an, wie lange eine statistische Durch­schnittsperson in einem Jahr arbeiten muss, um das Geld für alle steuerfinanzierten Sozialleistungen zu er­wirtschaften. Dieser Sozialleistungsgedenktag fiel in Deutschland im Jahr 2024 auf den 31. Januar, was ei­ner Sozialabgabenquote von 8,4 Prozent entspricht.

Angesichts der demografischen Alterung ist das gegenwär­tige Niveau des Sozialstaats bei Beibehaltung der heutigen Steuer- und Abgabenquoten auf Dauer nicht finanzierbar. Das zeigt sich in einer impliziten Verschuldung in Höhe von 184,0 Prozent des BIP (7.114,6 Mrd. Euro). Betrachtet man nur die beitragsfremden Leistungen, die sich aus den steuer­finanzierten Sozialleistungen der Gebietskörperschaften und den durch Bundeszuschüsse finanzierten Leistungen der So­zialversicherungen zusammensetzen, so resultiert eine impli­zite Verschuldung von 58,0 Prozent des BIP (2.244,8 Mrd. Euro). Das System der beitragsfremden Leistungen verstößt damit bei langfristiger fiskalischer Betrachtung – ebenso wie die beitragsfinanzierten Sozialversicherungsleistungen – gegen das Prinzip einer Solidargemeinschaft, da junge und zukünftige Generationen für heute versprochene Leistungen übermäßig belastet werden.

Die fehlende Nachhaltigkeit des deutschen Sozialstaats im­pliziert, dass sich das Datum des Sozialabgabengedenk­tags demografiebedingt in den kommenden Jahrzehnten weiter nach hinten verschieben wird, so dass die zukünftige Durchschnittsperson in Deutschland von Jahr zu Jahr im­mer mehr Tage für die kostendeckende Finanzierung des Sozialstaats arbeiten müsste. Um zukünftigen Generationen fiskalische Handlungsspielräume zu erhalten, ist es unab­dingbar, dieses Finanzierungsproblem durch ambitionierte Reformen zu entschärfen.

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