Argumente zu Marktwirtschaft und Politik Nr. 151

Die Gewerbesteuer: Segen oder Fluch?

Barbara Bültmann

Berlin, 2020 Umfang:
28 Seiten
Dateigröße:
2 MB
ISSN:
1612 – 7072

 

Die Kommunalpolitik ist die Keimzelle und die Schule der Demokratie, die Kommunen sind eine tragende Säule unseres föderalen Staatsaufbaus. Bei ihrer Finanzierung geht es um die Aufgaben, die den Bürger direkt, in seinen ureigensten Interessen betreffen: die gemeindliche Infrastruktur wie Straßen, Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen, Behörden, Kultur- und Sporteinrichtungen, aber auch Sozialleistungen wie Teile der Kosten der Unterkunft und weitere flankierende Hilfen.

Ein wichtiger Bestandteil der Kommunalfinanzierung ist die Gewerbesteuer, die den Gemeinden über die Hebesätze einen gewissen Handlungsspielraum verleiht. Jahrelang glich sie dem Anschein nach einem warmen Regen, der auf die Kommunen hinunterplätscherte, diese zu grünen Oasen des Wohlstands und des Aufschwungs werden ließ. Dieses Bild, so idyllisch es auch anmutet, war allerdings schon immer geschönt. Denn der warme Regen erreichte längst nicht alle Kommunen. Ohnehin ist die Gewerbesteuer zur verlässlichen Finanzierung der Kommunen ungeeignet, denn die Gemeinden stellen im föderalen System die Ebene dar, die mit einer so konjunkturabhängigen Steuer wie der Gewerbesteuer am wenigsten leben können. Zudem wird das Gewerbesteueraufkommen der einzelnen Kommune oft durch einzelne (Groß-)Unternehmen bestimmt und ist damit stärkeren Schwankungen als die Gesamtwirtschaft ausgesetzt.

Um dem entgegenzutreten hat der Gesetzgeber die Gewerbesteuer mit verstetigenden Elementen ausgestattet, der Hinzurechnung von Kostenelementen, die das Aufkommen stabilisieren und auch in Krisenzeiten Einnahmen für die Kommunen gewähren sollen. Damit ist der systemimmanente Konstruktionsfehler der Gewerbesteuer offengelegt: die Gemeinden sind auf stabile, konjunkturunabhängige Einnahmen angewiesen, Wirtschaftende hingegen, von Industrieunternehmen bis zum Einzelhandel, haben ein genauso existenzielles und berechtigtes Interesse daran, in Krisenzeiten, wenn sie Verluste erzielen, nicht noch zusätzlich durch Gewerbesteuerzahlungen belastet zu werden.

Dieser Konstruktionsfehler widerstreitender Interessen haftet der Gewerbesteuer an. Angesichts der aktuellen Krise, der Konjunkturabhängigkeit der Gewerbesteuer und dem verzweifelten Bedarf vieler Kommunen an mehr finanzieller Handlungsfähigkeit, wäre das Momentum da, sich mit der Eignung der Gewerbesteuer als Finanzquelle der Gemeinden auseinanderzusetzen und Alternativen zu überdenken. Denn wenn selbst in guten Zeiten die Gewerbesteuer keine zuverlässige Einnahmequelle ist, so gilt das erst recht in schlechten Zeiten. In den langen Jahren des Aufschwungs war der Reformeifer im Steuerrecht begrenzt. Die großen Reformpläne gehörten der Vergangenheit an, statt zu reformieren wurde allenfalls modernisiert und das auch nur in winzig kleinen Schritten, die nicht unbedingt immer auf ein klares Ziel ausgerichtet waren. Diese zunehmende Orientierungslosigkeit in der Steuerpolitik gilt es zu überwinden und die Finanzierung der Kommunen, wie auch das Steuersystem insgesamt, modern aufzustellen. Wenn der Weg dann klar ist, kann er auch in kleinen, überschaubaren Schritten begangen werden.

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