Vor dem Hintergrund der aktuellen EZB-Strategieüberprüfung analysiert der wissenschaftliche Beirat der Stiftung Marktwirtschaft in seiner neuen Studie die Geldpolitik der EZB in der Finanz-, Euroschulden- und Corona-Krise und erläutert, mit welchen Strategieelementen die Unabhängigkeit der EZB und die Stabilität der Währungsunion gestärkt werden könnten.
„Eine fiskalische Dominanz der Geldpolitik muss vermieden werden“, fordert Mitautor Prof. Volker Wieland, Ph.D. Die hohen staatlichen Schuldenquoten in der Eurozone setzten die EZB unter Druck, die Kosten der Schuldenfinanzierung niedrig zu halten. Dieser Druck gefährde die Unabhängigkeit der EZB und dürfe sie nicht dazu verleiten, ihre Krisenpolitik über die Corona-Krise hinaus fortzuführen. „Die EZB muss erklären, wie sie die hohen Staatsanleihebestände in ihrer Bilanz längerfristig reduziert. Die geldpolitische Strategie der EZB darf sich nicht an den fiskalischen Problemen der Mitgliedstaaten ausrichten“, mahnt Wieland.
„Die große Unabhängigkeit der EZB erfordert ein eng definiertes Mandat und die Möglichkeit gerichtlicher Überprüfung“, betont der Sprecher des Kronberger Kreises, Prof. Dr. Dr. h.c. Lars P. Feld. Das hierarchische Mandat der EZB mit Priorität für Preisstabilität dürfe dabei nicht in Frage gestellt werden. „Die nachgeordnete Aufgabe, die Ziele der EU zu unterstützen, ist nicht als Mandat zu einer eigenständigen Wirtschaftspolitik zu verstehen, sondern als Pflicht, die Nebenwirkungen der Geldpolitik zu berücksichtigen“, betont Feld. Anders als in den USA sei eine zusätzliche Fokussierung auf ein Vollbeschäftigungsziel seitens der Geldpolitik nicht sinnvoll, da in den Euro-Mitgliedstaaten sehr grundsätzliche Unterschiede in der Arbeitsmarktverfassung und -politik bestünden und sich die Arbeitsmärkte sehr heterogen entwickelten.
„Es ist außerdem davon abzuraten, die Bilanz der Notenbank zur Finanzierung und Subvention von Klimaschutzprojekten einzusetzen“, macht Wieland deutlich. Risiken aus dem Klimawandel und der Klimapolitik müssten selbstverständlich in der Analyse der Finanzstabilität berücksichtigt werden. Jedoch würde eine „grüne Geldpolitik“ tief in den politischen Bereich eingreifen. Für Klimapolitik stünde auf EU-Ebene mit dem Emissionshandelssystem zudem bereits ein effizientes Klimaschutzinstrument zur Verfügung.
Das numerische Ziel für die Verbraucherpreisinflation von nahe, aber unter zwei Prozent sei weiterhin sinnvoll. Eine deutliche Erhöhung dieses Ziels wäre nicht mehr mit dem Preisstabilitätsmandat vereinbar. Allerdings sollte die EZB weitere Inflationsmaße wie den BIP-Deflator für ihre Entscheidungen und deren Kommunikation hinzuziehen. „Zudem sollte sich die EZB stärker an quantitativen Referenzwerten, wie Zinsregeln, und am M3-Geldmengenwachstum orientieren“, fordert Wieland. Diese hätten vor der Finanzkrise klare Signale für eine problematische Entwicklung aufgezeigt. Seit der Corona-Krise habe sich das Geldmengenwachstum vor allem wegen des Anstiegs öffentlicher Kredite mehr als verdoppelt. Darüber hinaus könne die Transparenz der Geldpolitik deutlich erhöht werden, etwa durch Veröffentlichungen von Umfragen und Prognosen des EZB-Rates. „Grundsätzlich gilt es, bei allen Maßnahmen zu berücksichtigen, dass die Unabhängigkeit der EZB und die Stabilität der Währungsunion gestärkt wird“, betont Feld.
Argumente zu Marktwirtschaft und Politik Nr. 176
Ehrbarer Staat? Die Generationenbilanz – Das Rentenpaket II
Bernd Raffelhüschen, Sebastian Schultis, Stefan Seuffert, Sebastian Stramka
Berlin, 2024
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