Der wissenschaftliche Beirat der Stiftung Marktwirtschaft zeigt auf, dass die Vorschläge der Europäischen Kommission für eine Reform der EU-Fiskalregeln die Schuldentragfähigkeit einzelner Mitgliedstaaten und die Stabilität der Währungsunion eher schwächen würden. _______________________________________________________________________________________________________
"Der Vorschlag der Kommission zur Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts geht in die völlig falsche Richtung, da er vor allem den hoch verschuldeten Mitgliedstaaten eine höhere Staatsverschuldung erlauben würde, statt Anreize zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte zu setzen", kritisiert der Sprecher des Kronberger Kreises Prof. Dr. Dr. h.c. Lars P. Feld. Den Mitgliedstaaten künftig größere Verschuldungsspielräume zu gewähren, wenn sie ihre Haushaltspolitik an europäischen Prioritäten ausrichten, würde darüber hinaus bedeuten, eine Budgetsteuerung in die Fiskalregeln aufzunehmen. "Dadurch würde nicht nur die wesentliche Funktion der Schuldenregeln, eine solide Finanzpolitik sicherzustellen, geschwächt. Das wäre eine Verschiebung haushaltpolitischer Kompetenzen auf die EU-Ebene ohne Vertragsänderung, was für einen solchen Schritt eigentlich unabdingbar wäre", warnt Feld.
Das bestehende Regelwerk entfalte laut Prof. Dr. Berthold U. Wigger zwar nur begrenzte Wirkung hinsichtlich solider Staatsfinanzen: "Der Reformvorschlag verwässert die Verschuldungsregeln aber zusätzlich. Der Wahrung stabiler Staatsfinanzen in Europa ist eher gedient, wenn es beim Status quo bleibt." Vor allem die stärkere Flexibilisierung sei abzulehnen: "Statt des von der Kommission gewünschten Bilateralismus, der ihre Einflussmöglichkeiten stärken würde, sollte der multilaterale Charakter der fiskalischen Überwachung beibehalten werden. Nur wenn die Regeln gemeinsam vereinbart werden und nachvollziehbar sind, kann Transparenz und Vergleichbarkeit sichergestellt werden", betont Wigger.
Prof. Volker Wieland Ph.D. unterstreicht zudem ein strategisches Dilemma der Eurozone: "Solange die niedrige Staatsverschuldung in einem Teil andauert, bleiben die Anreize für die hoch verschuldeten Mitgliedstaaten gering, ihre Staatsschuldenquoten zurückzuführen, weil die finanzpolitische Solidität der anderen die Stabilität des Euro stützt. Ohne eine Veränderung dieses Anreizes besteht die Gefahr der Überforderung der solideren Mitgliedstaaten oder eines Endes der Stabilität der gemeinsamen Währung, wenn die heute geringer verschuldeten Staaten ihrerseits nicht mehr bereit sind, finanzpolitisch solide zu bleiben, und stattdessen ebenfalls eine höhere Staatsverschuldung auf sich nehmen." Deutschland solle den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts daher ablehnen. Europa wäre damit nicht gedient, resümiert Wieland.
Falls sich dennoch eine Reform der europäischen Fiskalregeln abzeichne, sollte die Bundesregierung laut Prof. Dr. Justus Haucap wenigstens versuchen, die von ihr ins Spiel gebrachten Mindesterfordernisse für die Konsolidierung weiter zu schärfen und Haltelinien hinsichtlich der Lockerung der Regeln einzuziehen. Der korrektive Arm der Fiskalregeln stelle eine solche Haltelinie dar, der von den Verwässerungen des präventiven Arms nicht beeinträchtigt werden dürfe. So könnten zumindest wesentliche Teile des heutigen Regelwerks erhalten bleiben, was im Vergleich zum Kommissionsvorschlag zu einer stärkeren Konsolidierung in den nächsten Jahren beitragen würde. Die eigentlich erforderliche Härtung der Regeln wäre jedoch damit noch nicht erreicht.