Konsolidierung wirkt: In der Mehrzahl der krisengeschüttelten EU-Länder sind die staatlichen Gesamtschulden im Jahr 2014 gesunken. Deutschland liegt auf Vorjahresniveau, fällt aber im EU-Nachhaltigkeitsranking 2014 auf den fünften Platz zurück, da Portugal sich erheblich verbessert hat. Ein deutlicher Schuldenabbau ist auch in Griechenland, Irland, Luxemburg und Zypern zu beobachten. Lettland bleibt Spitzenreiter. In Italien und Frankreich nimmt die Nachhaltigkeitslücke zu. Kein Land in der EU betreibt jedoch eine nachhaltige Fiskalpolitik.
Das aktualisierte europäische Nachhaltigkeitsranking der Stiftung Marktwirtschaft für 2014 zeigt einen Silberstreif am Horizont im Hinblick auf die Entwicklung der Staatsverschuldung in Europa. Die erste Erkenntnis ist, dass die Konsolidierungsbemühungen bei den öffentlichen Haushalten in zahlreichen europäischen Staaten Wirkung zeigen. In 13 von 27 betrachteten EU-Mitgliedsländern ist die Summe aus expliziten und impliziten Staatsschulden – die sogenannte Nachhaltigkeitslücke – im Jahr 2014 gesunken, in sechs weiteren blieb sie zumindest gleich hoch.
Das EU-Nachhaltigkeitsranking basiert auf einer ehrlichen Berechnung der Schuldenlast, da auch absehbare zukünftige Defizite der öffentlichen Haushalte (implizite Schulden) bzw. nach geltender Gesetzeslage zwingende Ausgaben mitberücksichtigt werden, denen keine Reserven gegenüberstehen (z.B. Beamtenpensionen).
Nach Jahren explodierender Staatsschulden ist es eine gute Nachricht, dass der Gesamtschuldenstand in der EU nicht weiter zunimmt, sondern sich eine Trendwende abzeichnet. Allerdings sind die erzielten Konsolidierungsfortschritte insgesamt noch viel zu gering, als dass man bereits Entwarnung geben oder gar eine Abkehr vom Konsolidierungskurs wagen könnte: Im EU-Durchschnitt liegt die Gesamtschuldenlast (Nachhaltigkeitslücke) noch immer bei rund 340 Prozent des BIP, das ist mehr als das Dreifache der jährlichen Wirtschaftsleistung der EU. In knapp einem Drittel der europäischen Staaten sind die Gesamtschulden sogar weiter gestiegen. Auch liegt das Haushaltsdefizit in einigen Staaten noch immer deutlich oberhalb der 3-Prozent-Defizitobergrenze des Stabilitäts- und Wachstumspaktes.
Die zweite Erkenntnis lautet daher: Der Konsolidierungsbedarf bleibt weiterhin hoch. Trotz der Verbesserungen sind die öffentlichen Finanzen in keinem EU-Staat nachhaltig. Auch in Staaten, in denen die Lage der Staatsfinanzen – wie beispielsweise in Deutschland mit seiner angestrebten „schwarzen Null“ – aktuell scheinbar wenig bedenklich ist, erfordert die langfristige Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ehrgeizigere Zielvorgaben.
Spitzenreiter des EU-Nachhaltigkeitsrankings 2014 bleibt das neue Eurozonen-Mitglied Lettland. Italien kann trotz zunehmender impliziter Schulden seinen zweiten Platz behaupten, aber der Vorsprung auf die Verfolger schrumpft. Die deutsche Nachhaltigkeitslücke bleibt mit 157 Prozent des BIP (das entspricht 4,4 Billionen Euro) im Vergleich zum Vorjahr praktisch unverändert. Dennoch fällt Deutschland einen Platz zurück, da Portugal seine Nachhaltigkeitslücke um 152 Prozentpunkte des BIP verringert hat und vom zehnten auf den vierten Platz vorrückt. Auch Irland, Zypern und Luxemburg gelingt es, ihre Nachhaltigkeitslücken um deutlich mehr als 100 Prozentpunkte des BIP zu senken. Allerdings war ihre Ausgangslage vergleichsweise schlecht, so dass sie sich weiterhin am Tabellenende finden. Ähnliches gilt für Griechenland, dessen Lage vor allem in der mittleren Frist weiterhin schwierig ist. Deutliche Rückschritte sind dagegen in Bulgarien und Schweden zu beobachten. Infolge des Reformstillstands fällt auch Frankreich weiter zurück.
Die nach wie vor hohen Gesamtschulden sind einerseits der demografischen Entwicklung geschuldet, welche in allen EU-Mitgliedstaaten in den kommenden Jahrzehnten zu stark steigenden Ausgaben für Rente, Gesundheit und Pflege führen wird. Andererseits weist nach aktuellem Stand die Mehrzahl der EU-Staaten weiterhin ein Primärdefizit (Haushaltsdefizit ohne Zinsausgaben) auf. Ein weiterer Anstieg der expliziten Schulden ist daher – selbst bei Vernachlässigung der demografischen Lasten – ohne weitere Konsolidierungsanstrengungen unvermeidlich. Will man hingegen die expliziten Staatsschulden bis zum Jahr 2030 auf die im Stabilitäts- und Wachstumspakt definierte Obergrenze von 60 Prozent des BIP zurückführen, sind kurz- und mittelfristig weitere Einsparungen notwendig, da die öffentlichen Ausgaben in der EU bis zum Jahr 2020 im Durchschnitt um weitere 5 Prozentpunkte des BIP reduziert werden müssten. Besonders hohe Einsparungen sind hierzu in Griechenland notwendig. Auch in Belgien, Frankreich, Spanien, dem Vereinigten Königreich und Zypern liegt der Konsolidierungsbedarf deutlich oberhalb des EU-Durchschnitts.
Dr. Susanna Hübner
Leitung Kommunikation, Medien und Ordnungspolitik
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