Konsolidierung wirkt: In über der Hälfte der EU-Länder sind die staatlichen Gesamtschulden im Jahr 2016 gesunken. Deutschland hat sich hingegen im internationalen Vergleich leicht verschlechtert und fällt nun im EU-Nachhaltigkeitsranking 2016 auf den neunten Platz zurück. Ein deutlicher Schuldenabbau ist in Irland zu beobachten. Kroatien und Estland werden neue Spitzenreiter. In Spanien nimmt die Nachhaltigkeitslücke zu. Angesichts der lediglich moderaten Fortschritte betreibt auch weiterhin kein Land in der EU eine nachhaltige Fiskalpolitik.
Das aktualisierte europäische Nachhaltigkeitsranking der Stiftung Marktwirtschaft für 2016 zeigt eine moderate Fortsetzung des Konsolidierungskurses in Europa. In 19 der 28 EU-Mitgliedsländer ist die Summe aus expliziten und impliziten Staatsschulden – die sogenannte Nachhaltigkeitslücke – im Jahr 2016 gesunken oder in etwa gleichgeblieben. Deutschland zählt zu den zehn Ländern, in denen die Schulden – allerdings nur moderat – gewachsen sind.
Das EU-Nachhaltigkeitsranking basiert auf einer ehrlichen Berechnung der Schuldenlast. Neben den explizit ausgewiesenen Staatsschulden berücksichtigt es absehbare zukünftige Defizite der öffentlichen Haushalte (implizite Schulden) bzw. nach geltender Gesetzeslage zwingende Ausgaben, denen keine Reserven gegenüberstehen (z.B. Beamtenpensionen).
Die sich seit 2014 abzeichnende Trendwende in der EU hin zu einer stärkeren Haushaltskonsolidierung hat sich 2016 fortgesetzt. In rund der Hälfte der europäischen Staaten verringerten sich die Gesamtschulden. Bis auf wenige Ausnahmen liegt das Haushaltsdefizit in allen Staaten unterhalb der 3-Prozent-Defizitobergrenze des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Allerdings sind die erzielten Konsolidierungsfortschritte insgesamt noch zu gering, um Entwarnung geben zu können oder gar eine Abkehr vom Konsolidierungskurs zu wagen: Die Gesamtschuldenlast (Nachhaltigkeitslücke) liegt im EU-Durchschnitt noch immer bei 256 Prozent des BIP, was mehr als dem Zweieinhalbfachen der jährlichen EU-Wirtschaftsleistung entspricht.
So bleibt der Konsolidierungsbedarf weiterhin hoch. Kein EU-Staat kann nachhaltige öffentliche Finanzen vorweisen. Selbst in Staaten wie beispielsweise Deutschland, in denen die Lage der öffentlichen Haushalte aktuell scheinbar wenig bedenklich ist, erfordert eine langfristige Konsolidierung ehrgeizigere Zielvorgaben.
Die im Verhältnis zur explizit ausgewiesenen Staatsschuld auffallend niedrige implizite Schuld in Italien und Portugal lässt sich mit wegweisenden politischen Reformen erklären. Italien hat 1992, 1995 und 2011 einschneidende Rentenpakete beschlossen, die neben einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit starke Rentenkürzungen vorsehen. Aufgrund langer Übergangsfristen setzt ein spürbarer Rückgang der Rentenausgaben allerdings erst ab dem Jahr 2040 ein. Würden die Rentenausgaben hingegen nicht wie reformbedingt erwartet sinken, läge Italiens Nachhaltigkeitslücke um 75 Prozentpunkte höher bei 182 Prozent des BIP. Ähnlich verhält es sich in Portugal. Die Rentenreform aus dem Jahr 2011 führt zu einem Rückgang der Rentenausgaben ab 2035. Zusätzlich profitiert Portugal von einem – von der Europäischen Kommission für 2016 geschätzten – hohen Primärüberschuss. Ohne Rentenreform und mit einem geringeren Primärüberschuss erhöhte sich die Nachhaltigkeitslücke Portugals ebenfalls um 75 Prozentpunkte auf 222 Prozent des BIP. Die „Musterknaben“ in spe müssen nun beweisen, dass sie die Reformen ernst nehmen und diese nicht wieder zurücknehmen.
Dr. Susanna Hübner
Leitung Kommunikation, Medien und Ordnungspolitik
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