Das Ausmaß der deutschen Staatsverschuldung hat sich zwar leicht verbessert, liegt aber noch immer dicht am Rekordniveau des letzten Jahres. Die durch die Nachhaltigkeitslücke gemessene Gesamtverschuldung beläuft sich im aktuellen Update der Stiftung Marktwirtschaft auf 15,4 Billionen Euro (374,6 Prozent des BIP). Statt der so dringend notwendigen Konsolidierung sorgt das geplante Rentenpaket II – wie bereits die Rentenreformen 2014 und 2018 – für weiter steigende Belastungen der heutigen und künftigen Beitragszahler.
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Mit einer Nachhaltigkeitslücke von 374,6 Prozent des BIP beläuft sich die aktuelle Gesamtverschuldung des Staates auf rund 15,4 Billionen Euro und ist damit im Vergleich zum Vorjahr (411,1 Prozent des BIP) leicht gesunken. Zu diesem Ergebnis kommen die aktuellen Berechnungen der Stiftung Marktwirtschaft und des Forschungszentrums Generationenverträge der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg zur deutschen Generationenbilanz. Der Großteil der Nachhaltigkeitslücke entfällt auf die sogenannten impliziten Schulden, die mit 12,8 Billionen Euro (310,9 Prozent des BIP) mehr als vier Fünftel der staatlichen Gesamtverschuldung ausmachen. Diese impliziten Schulden spiegeln im Wesentlichen die bereits erworbenen und bei Fortführung des Status quo noch entstehenden, aber durch das gegenwärtige Steuer- und Abgabenniveau nicht gedeckten Ansprüche heutiger und zukünftiger Generationen gegenüber dem Staat wider. Die bereits heute direkt sichtbaren expliziten Schulden machen hingegen mit 2,6 Billionen Euro (63,6 Prozent des BIP) nur knapp ein Fünftel der gesamten Staatsverschuldung aus.
Der Fokus des diesjährigen Updates der Generationenbilanz liegt auf der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), deren implizite Verschuldung im Status-quo-Szenario bereits heute bei 3,6 Billionen Euro (87,8 Prozent des BIP) liegt. Durch das von der Bundesregierung geplante Rentenpaket II würde die implizite Verschuldung um weitere knapp 40 Punkte auf 123,7 Prozent des BIP ansteigen (vgl. Abb.). „Die meisten Politikerinnen und Politiker wollen das Ausmaß der fehlenden Nachhaltigkeit der Rentenversicherung immer noch nicht verstehen. Stattdessen tendieren sie immer wieder dazu, das Problem sogar noch weiter zu verschärfen“, kritisiert Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen, Vorstandsmitglied der Stiftung Marktwirtschaft, und ergänzt: „Nur weil die impliziten fiskalischen Lasten erst in der Zukunft direkt sichtbar werden, darf man sie nicht weniger ernst nehmen als heutige Haushaltsdefizite. Angesichts der unaufhaltsam fortschreitenden Alterung der Bevölkerung werden diese Schulden bei einem "Weiter so" in Zukunft unweigerlich voll zu Buche schlagen und dann kaum noch zu finanzieren sein", argumentiert der Ökonom.
Problematisch sieht Raffelhüschen insbesondere die im Rentenpaket II enthaltene Rentenniveauhaltelinie. Diese sorge für einen Anstieg der Nachhaltigkeitslücke um 39,9 Prozentpunkte, wovon das geplante Generationenkapital lediglich 4,0 Prozentpunkte abfedern könne: „Die Rentenniveauhaltelinie ist um den Faktor 10 größer dimensioniert als das Generationenkapital. Letzteres ist damit nur ein Tropfen auf den heißen Stein, der zudem noch 30 Jahre zu spät kommt“, resümiert Raffelhüschen und gibt zu bedenken: „Der Wählermehrheit der über 55-Jährigen, vor allem den Babyboomern, wird durch die Rentenniveauhaltelinie somit kurzfristig 10-mal mehr geholfen als langfristig den jüngeren und kommenden Generationen via dem Generationenkapital.“
Wenn die Rentenniveauhaltelinie wie geplant bis ins Jahr 2039 gehalten werden solle, würde der Beitragssatz von heute 18,6 Prozent bis zum Jahr 2040 nicht nur um 3,4 Punkte, sondern um 5,1 Punkte auf 23,7 Prozent steigen. Das Generationenkapital könne diesen Anstieg lediglich um 0,3 Prozentpunkte dämpfen. „Das Rentenpaket II in der jetzigen Form im Bundestag zu verabschieden, wäre ein großer Fehler zu Lasten zukünftiger Generationen“, warnt Raffelhüschen und unterstreicht: „Von allen Rentensünden seit den 2010er Jahren wäre dies die schwerwiegendste“.
Neben der Rentenversicherung zeichnen sich auch für die Kranken- und Pflegeversicherung in den kommenden Jahren deutliche Beitragssatzsteigerungen ab, so dass sich der Gesamtbeitragssatz in Richtung 50-Prozent-Marke bewegt. „Wenn die Verantwortlichen nicht bald gegensteuern, besteht die reale Gefahr, dass die Jungen die Generationenverträge aufkündigen“, gibt Raffelhüschen zu bedenken: „Statt an einer generationengerechten Lösung zu arbeiten, tritt die Ampel weiter aufs fiskalisch unsolidarische Gaspedal. Dabei wäre genau das Gegenteil notwendig: Eine Wiederbelebung und Stärkung des Nachhaltigkeitsfaktors sowie eine Anhebung des Renteneintrittsalters, um die Beiträge zu stabilisieren.“