Jahrestreffen der Stiftung Marktwirtschaft 2015 in Kronberg

Prof. Dr. Michael Eilfort, Bundesminister Sigmar Gabriel und Prof. Dr. Theo Siegert.

 

Beim Jahrestreffen der Stiftung Marktwirtschaft am 24. April 2015 in Kronberg gab es eine Premiere: Mit Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel begrüßte der Stiftungsratsvorsitzende Prof. Theo Siegert zum ersten Mal einen SPD-Vorsitzenden als Gast und Hauptredner an der Gründungsstätte von Stiftung Marktwirtschaft und Kronberger Kreis.


Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel im Gespräch mit Prof. Dr. Nikolaus Schweickart, Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Marktwirtschaft.

 

Gabriel betonte zu Beginn der Veranstaltung die Bedeutung des ordoliberalen Gedankenguts für die Entwicklung der Bundesrepublik und ihrer sozialen Marktwirtschaft. Das ordnungspolitische Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell sei ein Modell, „das aus Fehlern lernt und Fortschritt immer wieder ermöglicht hat“. Zwar lobte der Minister die aktuelle Wirtschaftsentwicklung in Deutschland, die das Land weiterhin zum Motor Europas mache, gleichzeitig mahnte er aber, man könne sich künftig nicht allein auf diese Entwicklung verlassen. Stattdessen forderte er ein klar definiertes Modernisierungsprogramm für Deutschland.


Sigmar Gabriel erklärt den Teilnehmern die Wirtschaftspolitik der Großen Koalition im Grünen Salon, dem ehemaligen Musikzimmer von Viktoria, genannt Kaiserin Friedrich.

 

Selbstkritik übte Gabriel an der Energiepolitik der letzten Jahre: Diese bezeichnete er als „chaotisch“ und als „Operation am offenen Herzen der deutschen Volkswirtschaft“. Deutlicher steuerpolitischer Handlungsbedarf bestehe außerdem bei der Unternehmensbesteuerung: Insbesondere beim deutschen „Mittelstandsbauch“ müssten 20 Milliarden Euro abgebaut werden.

Hinsichtlich der deutschen Außenwirtschaft verwies Gabriel auf globale Entwicklungen: „Europa schrumpft, Asien wächst“. Folglich sei Europa auf Partner angewiesen. Das Transatlantische Freihandelsabkommen sei daher besonders begrüßenswert für Deutschland aufgrund der Bedeutung des Exports für seine Gesamtwirtschaft.


Teilnehmer des Frühjahrstreffen in Kronberg im Taunus.

 

Er verwies auf den Erfolg der rot-grünen Regierung, die den Teufelskreis von Massenarbeitslosigkeit und überlasteten Sozialstaat durchbrochen habe. Dies sei nach Ansicht Gabriels aber nicht allein durch die Entlastung des Sozialstaats mithilfe der Sozialreform der Agenda 2010 auf Basis einer klassischen Angebotspolitik geglückt, sondern auch durch gezielte Investitionserhöhungen der Regierung.

Den althergebrachten Antagonismus zwischen Nachfrage- und Angebotspolitik hält der Minister für Wirtschaft und Energie für einen falschen Gegensatz. Schließlich habe Wirtschaft wenig mit Glauben und Rechthaben zu tun, sondern deutlich mehr mit Erfolg, den er sich für die Zukunft wünscht. Erfreulich wären dafür seiner Meinung nach mehr Pragmatismus und das Begehen unorthodoxer Wege, z. B. den Abbau von Bürokratie, mit der Unternehmen in Deutschland „sinnlos gegängelt“ werden.


Prof. Dr. Justus Haucap, DICE/Universität Düsseldorf und Mitglied im Kronberger Kreis, dem wissenschaftlichen Beirat der Stiftung Marktwirtschaft, nimmt Stellung zur Energiepolitik.

 

In der anschließenden Diskussion verwies Prof. Just Haucap, Mitglied des Kronberger Kreises, dem wissenschaftlichen Beirat der Stiftung Marktwirtschaft, auf die defizitäre Entwicklung der zu teuren Energiepolitik der Großen Koalition. So sei es der Regierung zwar gelungen, den Ausbau der Erneuerbaren Energien entscheidend voranzutreiben. Gleichzeitig habe dies aber nicht geholfen, den Anstieg der CO2-Emissionen Deutschlands zu verringern. Die Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes 2014 sei ein Schritt in die richtige Richtung gewesen, reiche aber nicht aus, um die Energiewende ausreichend marktwirtschaftlich zu gestalten.


Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen

 

Prof. Bernd Raffelhüschen, Vorstand der Stiftung Marktwirtschaft und Direktor des Forschungszentrums Generationenverträge an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, kritisierte hingegen, dass der Bundeshaushalt durch rezente Reformen der Regierung wie die „Mütterrente“ und die „Rente mit 63“ unnötig stark belastet worden sei. Unfair sei dabei besonders, dass primär die Jahrgänge der heute 55- bis 60-jährigen Babyboomer profitierten, während jüngere Jahrgänge schlechter gestellt würden. Auch die geplante Pflegeversicherungsreform sei kritisch zu betrachten. Diese würde die Nachhaltigkeitslücke Deutschlands – also die Summe aus expliziten und impliziten, d.h. heute noch nicht sichtbaren Staatsschulden – um weitere zwei bis drei Prozentpunkte ansteigen lassen.


Prof. Dr. Michael Eilfort, Vorstand der Stiftung Marktwirtschaft.

 

Beendet wurde die diesjährige Frühjahrssitzung von Prof. Michael Eilfort, Vorstand der Stiftung Marktwirtschaft. Dieser forderte die Regierung auf bei der Arbeit für ihre „Gut Leben“-Kampagne das „Gut Regieren“ nicht zu vergessen. Schließlich erfülle der Staat die Ansprüche, die er an Unternehmen und Bürger stellt – insbesondere im Steuerrecht – selbst in vielerlei Punkten nicht. Eilfort betonte außerdem, dass die Stiftung Marktwirtschaft auch in Zukunft als Ideengeber fungieren werde. Dabei habe die Stiftung das Selbstverständnis eines Frühwarnsystems: Anstatt aktuelle Trends zu extrapolieren und die gegenwärtige Stimmung für unumkehrbar zu halten, berücksichtige man beispielweise mit der Generationenbilanzierung künftige Entwicklungen, um realistische Prognosen und Lösungsvorschläge entwickeln zu können.

Mehr über den Vortrag des Bundeswirtschaftsministers und das Frühjahrstreffen in Kronberg finden Sie im Blickpunkt Marktwirtschaft.


Fotos: Kay Herschelmann

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